Vom Kran direkt auf die Sandbank …
Mit leichter, urlaubsbedingter Verspätung wollen wir an einem frühsommerlichen Samstagmittag Mitte Mai die Segelsaison starten und fahren wohlgemut zum Kran nach Steinhude. Dort angekommen, rufen wir immer noch wohlgemut die am Kran auf einem Schild angegebene Telefonnummer an, um auf eine Mailbox zu stoßen. In der Meinung, dass der Rückruf ja sicher bald erfolgen wird, machen wir unsere Varianta klar zum Kranen.
Eine gute halbe Stunde später, mache ich mich auf den Weg zum Fahrkarten-Verkaufshäuschen der Steinhuder Personenschiffer. Dort erfahre ich, dass der Kranmeister mit dem Boot unterwegs ist – und wenn er Zeit und Lust hat, dann würde er seine Mailbox abhören und dann einen Termin zum Kranen mit uns abstimmen. Aha … Ich wage den Einwand, dass doch auf dem Schild was von Montag bis Samstag, 10.00 bis 16.00 Uhr steht. Der Einwand wird mit Achselzucken zur Kenntnis genommen.
Zurück zum Gespann, ein Anruf bei Linnekuhl („Ja, Sie können sofort kommen“), Schiff wieder am Trailer festbinden und ab zum nächsten Kran. Dort läuft alles wie geschmiert! Große Erleichterung bei der Besatzung.
Unter E-Motor machen wir uns auf den Weg nach Hagenburg, halten einen ordentlichen Abstand zum Badestrand der Steinhuder Badeinsel und laufen nur kurze Zeit später mit Schwung auf die Sandbank. Erste Anzeichen in Form von starken Ruckbewegungen des Ruders, werden von der Skipperin leider nicht richtig interpretiert.
Die Versuche, mit Paddel, Peekhaken und E-Motor-Quälen, sich irgendwie aus der misslichen Lage zu befreien, scheitern. Auf freier Wildbahn Mast stellen und Segel setzen, versuchen wir gar nicht erst. Stattdessen versuchen wir, mittels international anerkannter Notfallsignale (aufs Deck stellen und die Arme seitlich vom Körper weggestreckt auf und ab bewegen) die in Sichtweite vorbeifahrenden Motorboote – mindestens fünf – auf uns aufmerksam zu machen. Ohne Erfolg: wir werden schlicht ignoriert!
Ratlosigkeit macht sich bei der Besatzung breit. Aufkommende Panikattacken werden mit Blick auf das schöne Wetter und die im Zweifelsfall schwimmend leicht zu erreichende Badeinsel unterdrückt. Dann die rettende Idee: Anruf beim Club- und Vorstandskollegen Frank, der uns empfiehlt, die Steinhuder Personenschiffer zu alarmieren, und der auch gleich noch ein paar Telefonnummern übermittelt. Und falls das alles nicht klappt, dann unbedingt wieder melden!
Glücklicherweise erreichen wir diesmal nicht nur eine Mailbox, sondern tatsächlich eine Dame, die auf meine Schilderung unserer Notlage hin leicht schnippisch erklärt, dass sie nicht sagen kann, ob „das heute noch was wird mit dem Abschleppen“. Da ist er nun: einer der wenigen Momente in meinem Leben, wo ich tatsächlich sprachlos bin. Doch – Neptun sei Dank – höre ich, dass im Hintergrund bereits einer der Auswandererkapitäne gezielt nachfragt und schließlich ganz freundlich anbietet, sich auf den Weg zu uns zu machen. „Kostet aber 50 €“ – „Ja, kein Problem – die sollen sie haben“ – „Okay, bin in 20 Minuten bei Ihnen“.
In der Wartezeit fragen uns dann tatsächlich zwei des Wegs kommende Wassersportler, ob sie uns irgendwie helfen können: ein Katamaran-Fahrer und ein Stand-Up-Paddler. Die können uns zwar nicht wirklich helfen, aber immerhin fragen sie.
Der Auswandererkapitän hat schon eine gewisse Routine im Abschleppen gestrandeter Segelboote – das Abschleppen läuft also völlig problemlos und so erreichen wir rückwärts im Schlepptau glücklich unseren Heimathafen.
Zum Abschluss stellen sich nun zwei Fragen: warum ist diese blöde Sandbank eigentlich nicht mit Untiefentonnen gekennzeichnet und was wäre gewesen, wenn man sich tatsächlich in einer Notlage befunden hätte, in der mehrfaches Telefonieren und längeres Warten keine Option gewesen wäre. Die Tatsache, dass alle in der Nähe befindlichen Motorboote uns komplett ignoriert haben, stimmt mich mindestens nachdenklich.